08-09-1938

Firmenbriefkopf Gross-Gerau, den 9. August 1938

Lieber Martin

Dein Bf. Nr. 100 kam heute mit einem sehr schönen Bildchen an, womit mich wie immer sehr freute. Auch habe mich gefreut, dass du mal wieder bei Max Herz warst und möchte dich bitten, dies öfter zu tun, denn ich weiß ja nicht, ob ihn auch bald gebrauche.

Du schriebst wegen den Niersteinern, die haben schon wegen ihrer Bürgschaft geschrieben und werden sie auch bald gehen. Ernst und Max werden inzwischen auch bei dir gewesen (sein), da sie beide nach Chicago kommen und deine Adresse verlangt haben. Diese Woche kam ein Bf. von 25. Mai, der noch auf deine alte Adresse lautete, zurück; ebenso 1 Bf. von Job an dich, kam auch zurück.; wenn du deine Adresse mal wieder wechselst, so schreibe dies rechtzeitig vorher!

Gestern ist das Gepäck von Guthmanns Kindern erst abgegangen, da sie nicht früher die Packgenehmigung bekamen und so hoffe ich, dass du doch noch rechtzeitig in den Besitz deiner Schlittschuhe kommst.

Bei Sophie Winter scheinst du auch lange nicht gewesen zu sein, wo sie doch immer so nett zu dir waren. Du darfst die Verwandten nicht vernachlässigen und halte es für ratsam, wenn du als mal den Hüttenbesuch aussetzt.

Was machen Aug. Hirschs? Gestern ist Else Hirsch von Büttelborn nach N.Y. Ihr Onkel Siegd. (Siegfried) Hirsch, der jetzt 2 Jahre in N. Y. ist, soll sehr krank sein.

Du schriebst deinen letzten Bf. in den Unterhosen, auch bei uns war es die letzten 14 Tage sehr heiss (34 Grad C.), was für uns so viel bedeutet wie bei euch 50 Grad. Wir lasen hier in der Zeitung, dass m in N.Y. 51 ½ Grad waren, womit sich Bertel sicher sehr freut. Wie Bertel in ihrem letzten Bf. schrieb, hoffen sie, wenn Walter drüben ist, ihre Eltern bald kommen zu lassen. Wenn es nur schon wahr wäre, denn wenn Alex jetzt nicht mehr reisen kann, haben sie buchstäblich nichts zum Leben. Du brauchst in deinem Bf. hiervon nichts zu erwähnen, denn Hilda ist noch einige Wochen hier. Ich will nur mal sehen, wo sie hingehen wollen, wenn sie am Ende des Jahres ausziehen müssen. Da sie in Bernburg keine Wohnung finden werden. Kuss v.d. Vater.

Briefkopf:

Das Geschäft von Erich Cohn in Bernburg ist auch arisch geworden, weshalb sie heraus müssen. Gruß von Hede und Frau Kossmann.

Dear Martin,

Your letter No 100 has arrived today with a very nice picture which made me, as always, very happy. I was also glad to hear that you went to see Max Herz again; I’d like to ask you to do this more often as I don’t know if I, too, will need him soon.

You mentioned the Niersteiners, they have already written about their affidavit and will soon leave, too. Ernst and Max have probably already been to see you, for they both were going to Chicago and had asked for your address. This week a letter from May 25 was returned that had been sent to your old address; another one from Job was also returned. If you change your address again, please let us know in time. Only yesterday was the package from Guthmann’s children sent because they did not get the permission before that; I hope you’ll get your skates in time.

It seems you have not been to Sophie Winter for a long time either, when they have always been so nice to you. You must not neglect the family and so, perhaps you could occasionally leave out the cottage weekends instead. How is Aug. Hirsch doing? Else Hirsch left yesterday from Büttelborn to N.Y. Her uncle Siegfried Hirsch who has now been two years in N.Y. is supposed to be very ill.

You wrote your last letter in your underwear; here, too, it is extremely hot (34 degree Celsius) which affects us here like you feel at 50 Celsius. We read in the paper that in N.Y. it was 51.5 which should make Bertel very happy. As Bertel wrote in her last letter they hope Uncle Walter had arrived so they can get their parents to come soon. If only this were true already, as, if Alex cannot go, they literally have nothing to live on. Don’t mention any of this in your letter, for Hilda will stay here for a few more weeks. I want to know where they can go, once they have to move out at the end of the year. For they won’t find a flat in Bemburg. Kisses from your Father.

Letterhead:

Erich Cohn’s shop in Bemburg was also Aryanised; that’s why they have to leave.

Greetings from Hede and Mrs Kossmann.