12-21-1937

Firmenbriefkopf Nr. 72 Gross-Gerau, den 21. 12. 1937

Lieber Martin

Heute ist er Geburtstag deiner sel. Mutter. Wie ich aus deinen Zeilen entnehme, isst du jetzt mehr und will hoffen, dass es auch so ist; du weisst doch, dass du in der letzten Zeit, wo du in D(armstadt) warst jeden Morgen (Hafer)Schleim gegessen hast und dir auch sehr gut gethan hat. Na, ich hoffe, mich ja bald von deinem guten aussehen überzeugen zu können.

Wir hatten jetzt 3 Tage Bücherkontrolle durch das Finanzamt hier und war alles in

tadelloser Ordnung und es gab nicht die geringste Beanstandung.

Jetzt will dir noch eine Neuigkeit berichten: Onkel Salomon, Else und Job sind heute Mittag nach Frankfurt zum Notar und wollen dorten schreiben zum Hausverkauf an Wilhelm Schaffner, vis à vis von Weigands, bei dem auch Frl. Weigand beschäftigt ist; es ist jetzt 8 Uhr und denke, dass sie bald zurückkommen. Sie haben dann die Absicht, in 2-3 Monaten nach Frankfurt zu ziehen und wenn Job ihre 2 Häuser in L(angen) Lohnsheim verkauft hat, im Herbst auszuwandern. Eine Tante v. Job stellt für Else und Job die Bürgschaft. Wer für Salomon, Johanna und Ruth die B(ürgschaft) stellt, weiss noch nicht. Gutmanns im Burggraben haben ihr Haus an Fritz Walther verkauft und warten auf ihre Bürgschaft, die unterwegs sein soll. Die Kinder von Max Guthmann haben am Samstag ihre Bürgschaft bekommen und gehen nach Chicago im Frühjahr.

Deine Schlittschuhe habe Tante Selma geschickt, die sie jemand mitgeben will. Hoffentlich bekommst du sie noch rechtzeitig.

Heute habe Dr. Mannheimer in D(armstadt) gesprochen und lässt dich grüssen. Meine Wissenschaft ist zu Ende und sende dir und allen Bekannten und Verwandten herzl. Grüsse und einen extra Kuss an dich von deinem Vater.

Lieber Martin! Man hat eben nichts erfreuliches zu berichten - alles verkauft; bei Kahns kommt es letzten Endes auch noch dazu; was aus uns allen wird , wollen mal sehen!

Wir sind froh, dass Du zufrieden schreibst und hoffen, dass alles so bleibt. Ich bin immer ein bischen reserviert.

Tante Hans fährt Donnerstag zu Erna; diese kommt erst Ende der Woche aus dem Krankenhaus, und wir hoffen, dass Onkel Josef zu uns kommt; Vater hat deswegen nochmals dort angerufen, die armen Leute haben gosse Sorgen; könnte man da etwas helfen? Vergesse nicht, überall zu hören!

Wie ich hörte, kommt Fritz Rosenberg, der Enkel von Heinrich Hirsch, jetzt in eine Familie nach U.S.A. Lina Hirsch giebt bis April den Haushalt auf und wird später nach Amsterdam zu Betty gehen.

Karl Kahn schreibt sehr zufriedene Briefe an seine Eltern und verdient fein.

Hast Du ein Weihnachtspäckchen ab Mainz erhalten? Confect von hier ist nicht gut zu schicken; ich habe verschiedenes gebacken, aber nicht so wie man es gewöhnt war.

Der Sohn von Strimpel? aus Pforzheim geht jetzt nah Stuttgart und kommt nach Chicago, der andere Junge ist in Bombay; man könnte glauben, dass alles bald leer sei. Verbringe Sylvester recht angenehm. Recht herzl. Grüsse von Johanna Kossmann.

Rechter Rand: Wir haben seit gestern unter Null und man kann Ski fahren...

Briefkopf Das Haus ist für 30 Mille Netto verkauft worden.

No. 72, Gross-Gerau, Dec. 21, 1937

Dear Martin,

Today is your blessed mother’s birthday. As I take it from your letters, you are eating more now; I hope it is really so. You remember when you were in Darmstadt you used to eat oatmeal every morning and it was most becoming to you. Hope to see soon how good you look from gaining weight.

We have just had a three-day-long audit by the taxman and everything was found impeccable with no corrections.

Here is another piece of news: Uncle Salomon, Else and Job are going to see the notary in Frankfurt to write to Wilhelm Schaffner about selling the house, vis à vis the Weigands, where also Miss Weigand is working. It is now 8 o’clock and I think they will soon be back. Then they are planning to move to Frankfurt and as soon as Job sells their 2 remaining houses in Langen Lohnsheim, they will emigrate in the fall. An aunt of Job will sponsor the two of them. Who will sponsor Salomon, Johanna and Ruth? I don’t know yet. The Gutmanns of Burggraben sold their house to Fritz Walther and are waiting for the sponsorship that is supposed to be coming. Max Guthmann’s children got theirs on Saturday and are going to Chicago early next year.

Aunt Selma will send you your skates with someone. Hope you get them in time.

I spoke to Dr. Mannheimer from Darmstadt today, he sends his greetings. That’s all I have got for today, say hello to all and a special kiss to you from your Father.

Dear Martin,

One has nothing good to report – everything was sold; the Kahns will suffer the same fate; what will happen to all of us – we’ll see!

We are glad that you seem content, and hope it stays so. I am always a bit reserved. Tante Hans goes to Erna on Thursday; she will leave the hospital at the end of the week, and we hope Uncle Joseph comes to us. Father called them about this again; the poor people have great problems; could one help there? Don’t forget to ask around.

As I heard, Fritz Rosenberg, the grandson of Heinrich Hirsch will be taken in by a family in the U.S.A. Lina Hirsch will be giving up the household by April and after that she will go to Betty in Amsterdam.

Karl Kahn’s letters to his parents sound very content, he is making good money.

Have you received a Christmas package from Mainz? It is not a good idea to send candies from here; I baked various things but it is not like it used to be.

Strimpel’s son is going to Stuttgart now and from there to Chicago, the other son is in Bombay; you just know that it will soon be all abandoned here. Have a pleasant New Year’s Eve. Warm greetings from Johanna Kossmann.

Right hand side: Since yesterday it is zero degrees here and one can ski.

Letterhead: The house was sold for 30K netto